Leserbrief zu Artikel vom 29. Juli 2016, 18:59 Anschlag in Ansbach Der merkwürdige Therapeut

An die Redaktion Bayern – Leserbriefe – der SZ

Als Berufsverband für Heilpraktiker sehen wir es als unsere Pflicht, zu o.g. Artikel Stellung zu nehmen. Wir fördern komplementäre, nicht alternative therapeutische Ansätze und zur Sicherung des Qualitätsstandards von Heilpraktikern verurteilen wir kompetenzüberschreitendes Handeln von einzelnen Kollegen.

Laut ihrem Artikel soll der, den Selbstmordattentäter von Ansbach traumatherapeutisch behandelnde, Heilpraktikerkollege über eine zweifelhafte fachliche Qualifikation verfügt haben. Ihr ausführlicher Bericht behandelt aber nicht das Auftreten dieses Therapeuten mit all seinen Konsequenzen unter behördlicher Anweisung, sondern ist eher wieder einmal geeignet, durch exemplarisches Publizieren einen ganzen Berufsstand in Verruf zu bringen. Unterschwellig wird sogar der Anschein erweckt, dass ein Heilpraktiker grundsätzlich nicht ausgebildet und sogar minderqualifiziert ist. Ob und inwieweit besagter Kollegetatsächlich seine fachlichen Kompetenzen überschritten hat, entzieht sich unserer Kenntnis.

Voraussetzung für die Durchführung einer Traumatherapie ist, wie für jedes fachgerechte, therapeutische Handeln, eine entsprechende Fach-Ausbildung und die Erfahrung in der jeweiligen Therapieform. Gerade psychotherapeutische Behandlungsmethoden werden häufig komplementärmedizinisch neben der medikamentösen Behandlung eingesetzt. Diese Therapien sind keineswegs ausschließlich approbierten Therapeuten vorbehalten.

Ein Heilpraktiker kann sehr wohl psychotherapeutisch behandeln, vorausgesetzt, er hat sich ausreichende Zusatzqualifikationen erworben. Insbesondere kann dies auch ein Heilpraktiker, dessen Erlaubnis speziell für das Gebiet der Psychotherapie erteilt wurde. Selbstverständlich ist ein Heilpraktiker immer gehalten, sich in Hinblick auf die Diagnose der zu therapierenden Patienten gründlich auf seine fachliche Eignung, auch und gerade unter Beachtung seiner individuellen Sorgfaltspflicht, zu hinterfragen.

Wie der einzelne Therapeut seine Behandlung dann im Einzelfall umsetzt, ist eine andere Frage. Dass es in jedem Berufsstand schwarze Schafe gibt, ist unumstritten. Dass allerdings vorgenannter Heilpraktiker angeblich nicht einmal selbst in der Lage ist, seine therapeutische Qualifikation nachzuweisen, ist erschreckend und kann nicht toleriert werden.

Abgesehen davon ist jede Behandlung, so auch eine psychotherapeutische, unabhängig davon, ob von einem approbiertem oder nicht approbiertem Therapeuten durchgeführt, kein Garant dafür, dass eine Heilung eintritt, siehe den Germanwings Co-Piloten, der sich mitsamt seinen Passagieren, trotz entsprechender Behandlung, in den Tod stürzte, siehe erst kürzlich den Amokläufer von München und viele mehr.

Offen bleibt, trotz der Recherche, die Frage, weshalb eine Behörde in Ansbach einen Heilpraktiker vom Bodensee mit der Therapie schwer traumatisierter Flüchtlinge beauftragt hat. Fakt ist nicht, dass ein Heilpraktiker grundsätzlich eine derartige Therapie nicht durchführen darf, sondern dass die Behandlung anscheinend ohne weitere Prüfung seitens des Auftraggebers an genau diese Therapieadresse ging. Es ist bekannt, dass es bei „Störungen mit Krankheitswert“, je nach Einstufung des Einzelfalls, durchaus eine zu berücksichtigende Kompetenzhierarchie der in Frage kommenden Berufsbilder gibt. Darüber sollte eine staatliche Betreuungsstelle informiert sein und wir gehen nicht davon aus, dass bei der Therapie von Flüchtlingen medizinische Standards über Bord geworfen werden. Insofern lässt sich auch gut nachvollziehen, weshalb sich die zuständige Stelle noch nicht zu diesem Vorfall geäußert hat.

Bemerkenswert ist für uns die Betrachtung aus einem weiteren Gesichtspunkt. Die Präventions-
richtlinien schließen leider den Berufsstand der Heilpraktiker für die Durchführung von Präventionsmaßnahmen im Auftrag der Krankenkassen wie Kursangebote in Autogenem Training, Nordic Walking, Ernährungsberatung usw. komplett aus. Dies gilt sogar auch dann, wenn die Fachqualifikation identisch zum Arzt, Physiotherapeut, Sportlehrer oder Diätassistent beim gleichen Ausbildungsinstitut erworben wurde.
Dass dann hier eine Behörde mit staatlichen Geldern Therapien durch mutmaßlich unqualifiziertes Personal finanziert, das seine Niederlassung nicht einmal im Bezirk der handelnden Behörde hat, ist mehr als fragwürdig und sollte für die SZ, aber auch für die Aufsichtsbehörden hinreichender Anlass sein, den Sachverhalt weiter aufzuklären.

Für unseren Verband ist dies aber ein Beweggrund mehr, eine generelle Gleichbehandlung bei gleichen Fachqualifikationen einzufordern.

Letztendlich kommt immer wieder die Frage der ausreichenden Qualifikation der Heilpraktiker auf und als Rechtfertigungsgrund für deren Nichtberücksichtigung wird in allen einschlägigen Sachverhalten einfach die nicht staatlich geregelte Ausbildung bemüht. Dies ist ganz offensichtlich eine ziemlich einseitige und dürftige Sichtweise, denn im Vergleich zu Angehörigen der staatlich ausgebildeten Gesundheitsberufe verfügen die meisten Kollegen in der Regel über ein mindestens ebenso großes Sach- und Fachverständnis und sind nach den Qualitätsstandards der Verbände angehalten, sich laufend fortzubilden. Zudem hat sich der Berufsstand der Heilpraktiker über lange Jahre eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung erworben und entlastet die Gesetzliche Krankenversicherung nicht unerheblich.
Es wäre daher zumindest hilfreich, über eine zukünftige Reglementierung der Heilpraktiker-Ausbildung nachdenken, ohne hierbei die diesem Berufsstand eigene Therapiefreiheit zu beschneiden. Dann würden sich auch, zumindest für definierte Bereiche, dem behördlichen Handeln keine Grauzonen mehr bieten.

Susanne Rothörl B.Sc.

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